Dienstag, 11. Juni 2019

Ein Insidergedicht

In Bochum tobten Sturmgewitter, 
sie walzten alle Wege platt.
Das Chaos wuchs, man schrieb‘s auf Twitter,
Der Bahnverkehr erlag – schachmatt!

Man las von Staus und Autoschlangen,
von Hektik, Drama, Tod und Weh.
Das machte manch Studenten bange,
der Eigenantrieb war pas­sé.

Die Feigen trieb es in die Enge,
sie blieben ihrem Bochum fern.
In banger Furcht vor dem Gedränge
genossen sie die Freizeit gern.

„Ihr Frevler, schreibt es den Dozenten!“,
erschallte gleich von fern der Ruf.
Da zitterten die RUB-Studenten,
sofern sie Gott geschmeidig schuf.

Nicht jeder ließ sich davon treiben,
denn eine Frage stand im Raum:
Wozu fünfmal dasselbe schreiben?
Das hielt die Stifte strikt in Zaum.

Man löste das Problem mit Strafe:
„Ihr Frevler, ihr schreibt zwei Essays!
Denn Strafe ist die beste Waffe,
und zwei Essays sind schon okay."

Wie wundersam doch Plagen läutern,
wie wohl sie doch der Seele tun!
Was hilft da alles schnöde Meutern?
Wir lassen’s mal darauf beruh‘n…

Krankheit als Symbol (ein erster, dümmlicher Versuch)

Furchtsam schloss ich einst die Türen,
grenzte, was da drängte, aus.
Muss dafür nun Schwindel spüren,
harr' in meinem Käfig aus.

Immer wieder niederdrücken,
ignorieren, fleißig sein.
Immer sich gehorsam bücken,
lächeln - eitel Sonnenschein.

Burnout muss man fast schon haben,
klingt nach Leistung bis zum Tod.
Drum vermehre deine Gaben,
sei ein nützlicher Idiot.

Wer was leistet, wird gewinnen,
wer sich weigert, der verliert.
Keiner kann dem Sog entrinnen:
Wer's kapiert wird akzeptiert.

Unterwerfe dich der Mode,
unterwerf' dich jedem Zwang.
Optimier' dich mit Methode
und ersticke jeden Drang.

Du wirst krank, und das ist gut so,
denn auch Krankheit bringt Gewinn.
Plag dich, mach den Aktionär froh,
nimm' es als des Lebens Sinn.

Welchen Schmerz wirst du wohl finden,
ignorierst du strikt dein Wohl?
Ganz egal: Fürs brave Schinden
wird die Krankheit zum Symbol.  


Morgenrunde - Ein Kulturschock

Ein Zimbelton, zu früher Stunde,
wir sitzen in der Morgenrunde,
wozu, ist uns nicht allen klar.
Ein Grußwort, dann wird angefangen.
Die Neuen fühlen sich gefangen,
die Alten schwärmen: "Wunderbar!"

Ein Tisch steht in der Raumesmitte,
schön dekoriert, nach alter Sitte,
so ganz allein, so sonderbar.
Wir hör'n den ersten Neuen sprechen,
er stellt sich vor, doch sein Gebrechen,
stellt sich als ernstes Hemmnis dar.

Er murmelt leise seinen Namen,
Er denkt sich: "Habt mit mir Erbarmen,
Ihr merkt doch selbst, wie still ich bin."
Die Therapeuten, ohne Gnade,
sie fordern: "Lauter! Wäre schade,
wenn unterging' der Rede Sinn!"

Der Kreis fängt höflich an zu Klatschen,
der Klang, er trifft wie tausend Watschen,
Der Neue wünscht sich: "Weg von hier!"
Schon ist der nächste am Bekunden,
hat seine Hemmung überwunden.
Er sagt, er spiele gern Klavier.

Ein Text wird in den Raum gelesen,
schon wieder ist's umsonst gewesen
der Leser hält den Text für wahr.
Von fünfzig müden Augenpaaren,
die alle nicht an Beifall sparen,
kommt keinerlei Kritik - war klar.

Schon endet sie, die Morgenrunde,
so knapp nach einer halben Stunde,
die Freude überwiegt dabei.
Ein Abschiedsgruß, schon wird gegangen,
zum Ausgang will ich schnell gelangen.
Ich atme auf, ich fühl mich frei.

Sonntag, 24. Juni 2012

Versuchungen


Hochgenüsse locken heiter,
treiben dich voran und weiter,
grüßen dich mit Wimpernschlägen,
wollen dich sehr sanft umhegen,
schmecken süß und stimmen fröhlich,
scheinen bald schon unentbehrlich.

Pflücke ihre Früchte sorgsam,
halte dich, wo’s geht, enthaltsam,
doch bedenk‘ des Lebens Spanne,
sie begräbt das Kind im Manne,
musst dich der Gefahr aussetzen
und dich mit Genuss benetzen.

Süßer noch als Schokolade,
dringt ein Blick an mein Gestade,
fließen Worte mir entgegen,
machen mich bestürzt, verlegen,
nasche gern an solchen Früchten,
möchte darauf nicht verzichten.

Tag um Tag vergehen Leben,
endet tragisch manch Bestreben,
will darum zuweilen naschen,
nicht den Lauf der Welt verpassen,
Träume in die Herzen schreiben, 
schwärmen und am Leben bleiben.

Sprachen

Wenn Poeten sich begegnen,
wenn die Worte leise regnen,
sollten sie sich doch verstehn.
Sprache ist ihr Glanz und Segen,
Sprache ist ihr spitzer Degen,
Sprache lässt ihr Ich geschehn.

Jeder findet seine Worte,
klopft an seine innre Pforte,
lässt, was sich versteckt, hinaus.
Wär die ganze Dichterhorde
nur von einer einzgen Sorte,
wär's dem Leser wohl ein Graus.

Oft kann ich mich wiederfinden,
wenn sich Worte eng verbinden,
sei es auch in fremdem Stil.
Muss mich selbst an Regeln binden,
mag den Strom nicht neu erfinden,
das ist mir doch zu subtil.

Montag, 18. Juni 2012

Kreativität


Ein Künstler lässt sich niemals irritieren,
er pflegt die Kunst, die sich ihm leicht erschließt.
Was hilft es da noch lang zu lamentieren,
wenn Tesafilm aus jeder Ecke sprießt?

Mein Sohn kreiert gern Hubschrauber aus Pappe,
er klebt sie, wie besessen vom Detail.
Er klebt die Flieger stündlich, in Etappen,
als läge in der Klebekunst sein Heil.

Sogar im Innern sind sie ausgestattet,
die Hubschrauber - mit Sitzen, wie in echt.
Piloten, gut verklebt, verharren wartend,
der Notruf dröhnt - Verspätung wär' jetzt schlecht!

Schon hebt er ab, sein Tesaglanz beeindruckt,
der Hubschrauber rast stolz und kühn empor.
Der Kunstpilot summt ratternd wie im Echtflug, 
ein Rettungseinsatz steht dem Team bevor.

Ich heb mein Glas, ertaste daran Kleber,
ein Stückchen Tesa hat sich festgesetzt.
Na ja, was soll's, mein Sohn war nie ein Streber,
er räumt nicht auf, wenn niemand schimpft und hetzt.

Alles oder Nichts

Manchmal spielt das Leben mit dir Spiele,
manchmal spielt es "Alles oder Nichts",
fragt dich, was dir besser wohl gefiele,
während du mit deinen Träumen brichst.

Manchmal scheint ein Stern für dich zu funkeln,
dann verbirgt ein Schleier seinen Glanz.
Mancher Reiz erschließt sich erst im Dunkeln,
denn als Blinder findest du dich ganz.

Meine Stimme stockt, wenn ich mich prüfe,
denn ich leb' im Alles und hab Nichts.
Wenn ich mir auch schönste Träume schüfe,
wär' ich dennoch nie ganz Kind des Lichts.